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Zeit, über Geld zu reden.

Zuhause auf Zeit

Kaum sind wir Menschen sesshaft geworden und Städte herangewachsen, geht es wieder einen Schritt zurück – zum Nomadentum. Wir müssen zwar nicht mit dem Zelt herumziehen. Die Zukunft aber ruft nach flexibleren Wohnformen.

«Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen», lautet ein altes Sprichwort. Anzufügen wäre, dass sich jeweils auch die Räume mitverändern. Das lässt sich momentan beobachten. So hat etwa die Covid-Pandemie flexiblen Arbeitsformen wie Homeoffice Tür und Tor geöffnet.

«Firmenarbeitsplätze und private Wohnräume gleichen sich einander an», stellt Alessa Rehmann fest. Die gelernte Innenarchitektin hat in ihrer Masterarbeit untersucht, wie sich die Veränderungen flexibleren Arbeitens auf unsere Lebensräume auswirken. «Während sich Firmenräume zunehmend wohnlich präsentieren, gestaltet sich das Zuhause immer bürotauglicher.» Das Daheim dringt ins Büro vor und umgekehrt. Es kommt zu einer «Nivellierung zwischen Arbeits- und Wohnwelt».

Für jede Zeit eine Funktion

In grösseren Wohnsiedlungen gehören Party- und Gemeinschaftsräume seit langem zum guten Ton. In Zukunft könnten sie zu Büroräumlichkeiten umfunktioniert werden. Weitsichtig geplante Wohneinheiten verfügen bereits über Jokerräume, erklärt Rehmann. «Wohnjoker» sind separate Zimmer, die sich zu einer Wohnung hinzumieten lassen.

«Sie können vorübergehend gestiegenen Raumbedarf auffangen», weiss Rehmann: «Räume erhalten ihre Funktion immer öfter nur auf Zeit.» Ist in der Firma und Zuhause ein Arbeitsplatz vorhanden, entsteht redundante Fläche. Um diese sinnvoll zu nutzen, brauche es «Smart Living», meint Rehmann. Dieser Begriff stehe für das intelligente Vernetzen von verschiedenen Geräten und Systemen in einem Gebäude – von der Kaffeemaschine übers Licht bis zur Heizung. Richtig eingesetzt, mache «Smart Living» Räume nachhaltiger, sicherer und effizienter. «Sensoren regeln das Licht in Bürokomplexen vielerorts automatisch. Andere geben dem Facility Management an, welche Flächen gereinigt werden müssen. Das spart Zeit und Ressourcen».

Vom Co-Working zum Co-Living

In Privathäusern dürfte sich laut Rehmann modulares Bauen durchsetzen. Diese Bauweise zwingt dazu, bereits bei der Entstehung von Wohnraum auf Effizienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität zu achten. Werden künftig mehr Menschen ganz auf einen fixen Wohnort verzichten, um als digitale Nomaden – mit dem Laptop als Werkzeug – herumzuziehen? Alessa Rehmann rechnet nicht damit, dass sich dieser Trend bei der breiten Masse durchsetzt. Im Aufwind sieht sie jedoch flexible Wohnangebote wie das Co-Living. «Co-Working-Spaces werden hierbei einfach um Schlafplätze erweitert.»

Ganz zurück zum Nomadentum gehen wir also nicht. Dafür aber vermutlich zum Generationenhaus. «Platzmangel und der Wunsch nach gegenseitiger Unterstützung lassen diese Idee wieder aufleben», betont Rehmann. Das Eigenheim bleibt vielerorts ein Traum.

Alessa Rehmann ist Innenarchitektin. In ihrer Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste untersuchte sie die Veränderungen unserer Lebenswelten durch das mobile Arbeiten. In ihrem Alltag verbindet sie nun Theorie und Praxis.