Accesskeys

Marktausblick

Russland zahlt für seine Aggression einen hohen Preis.

CIO Kommentar, Montag, 7. März 2022

Dr. Sandro Merino, Chief Investment Officer

Wie viele Militärexperten befürchtet hatten, intensiviert Russland gezielt die Zerstörung ziviler Ziele. Mit diesem Terror will die skrupellose russische Führung den Wehrwillen der ukrainischen Bevölkerung und seiner Armee brechen. Diese Eskalation belegt aber auch die militärische Schwäche Russlands. Die russischen Streitkräfte sind auch nach fast zwei Wochen nicht in der Lage, die Situation in der Ukraine zu kontrollieren. Es scheint, als könnten die Verluste auf russischer Seite in die Tausende gehen.

Auch gibt es Berichte über eine angeschlagene Kampfmoral auf russischer Seite. Viele junge russische Rekruten wollen nicht für diesen sinnlosen und womöglich bereits verlorenen Krieg Putins ihr Leben opfern. Den Soldaten muss spätestens jetzt bewusst geworden sein, dass sie nicht als Befreier im Kampf sind, sondern dass sie die Zivilbevölkerung geeint gegen sich haben und sie diese nun auf feige und grausame Art und Weise aus der Distanz in grosser Zahl ermorden. Russischen Soldaten sollte die Desertation möglichst leicht gemacht werden und es gibt Hinweise dafür, dass westliche Geheimdienste Kommunikationswege zu den Soldaten suchen.

Das Haager Tribunal (International Criminal Court) hat seine Ermittlungen zur Beweisaufnahme von Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass Putin und sein Machtzirkel für Kriegsverbrechen angeklagt werden. Auch wenn heute die Hoffnung klein scheint, dass Gewaltherrscher sich kurzfristig von solchen Institutionen abschrecken lassen, ist es dennoch sehr wichtig, dass die internationale Gemeinschaft fundierte Beweise sammelt und die Schuldigen beim Namen nennt und dabei ein sehr langes Gedächtnis bewahrt. Dies schuldet die freie Welt den unschuldigen Opfern dieser grausamen und nicht provozierten Aggression.

Die Nato schliesst einen direkten Einsatz von Nato-Truppen oder die Herstellung einer Flugverbotszone weiterhin aus. Es werden aber weiter Waffen in die Ukraine geliefert. Es mag ein Zeichen der steigenden Frustration Putins sein, dass er immer wieder wenig verhüllte Drohungen ausstösst, die Nato könnte in seinen Krieg direkt involviert werden. Das sind aber Zeichen der Schwäche Putins. Er kann zwar mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Ukraine furchtbar zerstören und dabei unsägliche Verbrechen an der Zivilbevölkerung begehen. Ob er das Land jemals unter eine russische Administration stellen könnte, ist jedoch nicht absehbar.

Selbst wenn Kiew fallen sollte und der legitime Präsident Wolodymyr Zelenskyj ermordet würde, dann würde eine Exilregierung, vermutlich aus Polen heraus, den Widerstand der Ukraine weiter koordinieren. Russland sollte nicht unterschätzen, welchen Effekt eine solche Schandtat und die Schaffung von nationalen Ikonen auf den Lauf der Dinge nehmen könnten.

Wenn es Putins Ziel war, als Retter Russlands und als einigende und erneuernde Kraft seiner Nation, als eine slavische Lichtgestalt in die Geschichte einzugehen, dann hat er dieses Ziel heute schon verfehlt. Putin wird als Kriegsverbrecher und gieriger Ausbeuter seines eigenen Volkes in die Geschichte eingehen. In diesen Tagen bringt er Schande über das russische Volk.

In Russland selbst gibt es im ganzen Land nach wie vor punktuelle Proteste der Zivilgesellschaft und es werden nach wie vor Hunderte verhaftet und mit drakonischen Strafen sanktioniert. Das Oberhaupt der russischen orthodoxen Kirche, der Patriarch Kyrill, bleibt dabei strikt Putin treu und sieht im russischen Kriegsdienst "einen Akt der Nächstenliebe im Sinne des Evangeliums". Viele Geistliche in Russland dürften das aber anders sehen als ihr Oberhaupt und es gibt einzelne mutige Stimmen, die heute aber noch leise sind. Alle Reste einer freien Presse sind nun aus Russland eliminiert worden und der Zugang zu westlichen Medien wurde auf allen Kanälen sehr stark eingeschränkt. Die neuen Gesetze, die auch ausländische Berichterstatter, die in Russland stationiert sind, hart treffen könnten, haben dazu geführt, dass keine Berichte freier Medien direkt aus Russland mehr erstellt und gesendet werden.

Die umfangreichen Sanktionen und die Einstellung des Betriebs sehr vieler ausländischer Unternehmen werden Russland in kurzer Zeit erheblich treffen. Das Land schlittert gerade am offiziellen Bankrott seiner Staatsanleihen vorbei. Russische Obligationen haben nur noch Schrottqualität. Der russische Aktienmarkt bleibt wohl auch diese Woche weiterhin geschlossen. Russische Kreditkarten werden zumindest ausserhalb Russlands ab heute nicht mehr funktionieren.

Die Auffindung und die Stilllegung russischer Oligarchenvermögen ist insbesondere in den USA und in Europa in vollem Gange. Der opulente Lebensstil der steinreich gewordenen Gesinnungsgenossen von Putin im allzu toleranten und freien Westen ist grundlegend verunmöglicht worden. Aber auch russische Künstler und Sportler, die sich nicht von Putins Kriegsverbrechen explizit und klar distanzieren, dürften ausserhalb Russlands kein Publikum mehr finden. Unter Putin könnte Russland für viele Jahre wieder ein grauer und trauriger Ort werden, in dem viele Menschen mehr überleben als leben werden. Jene Russinnen und Russen, die nicht Opfer der Propaganda Putins geworden sind, haben aber die Möglichkeit ihr Schicksal auch selbst in die Hand zu nehmen und den gefährlichen Widerstand gegen das korrupte und verbrecherische Regime aufzunehmen.

Die Haltung Chinas zum Konflikt bleibt ambivalent. Zwar hütet sich China davor den Westen mit offener Unterstützung Russlands zu provozieren, andererseits gibt es auch keine klare Distanzierung zum völkerrechtswidrigen und äusserst brutalen Vorgehen Russlands. Für den Westen dürfte klar geworden sein, dass wirtschaftliche Offenheit und Kooperation mit Diktaturen wie China oder Russland höchst problematisch sind. Der Westen hat durch sein wissenschaftliches und technologisches Know-How während der Globalisierung dazu beigetragen, dass China zu einer wirtschaftlichen Weltmacht und immer mehr auch zu einer militärischen Grossmacht aufgestiegen ist. Dieser Prozess hat auch unseren Wohlstand erheblich gesteigert. China teilt aber grundlegende Werte wie Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie nicht mit uns. Die Lektion, die uns Der Krieg in der Ukraine lehrt, ist, dass wir nicht naiv wirtschaftliche Partnerschaften eingehen können, wenn keine belastbare Wertebasis besteht. Das Risiko eines bösen Erwachens auch gegenüber China ist sehr gross.

Die Repression gegen die Uiguren und der Bruch internationalen Rechts in Hong Kong belegt, dass auch China keine Skrupel hat, brutal gegen jede Opposition im eigenen Land vorzugehen. Die Haltung, dass wir uns nicht mit Überheblichkeit in die Angelegenheit eines anderen Kulturkreises wie China einmischen und still Geschäfte machen sollten, greift zu kurz. Wandel durch Handel funktioniert nicht immer. China steht im Ukraine-Konflikt nicht auf unserer Seite, dies darf auch wirtschaftlich und politisch nicht folgenlos bleiben. Um unsere Freiheit nachhaltig zu schützen, müssen wir auch bereit sein auf einen Teil unseres Wohlstandes zu verzichten. Noch hat der Westen die wirtschaftliche Macht auch China vielleicht zu einer klareren Stellungnahme zu bewegen. Dies könnte den Krieg und damit das sinnlose und grausame Blutvergiessen in der Ukraine erheblich verkürzen.

Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte

Ökonomen rechnen schon in diesem Jahr mit einem Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um 5% bis 10%. Die Frage ob russische Exporte (inklusive Öl und Gas) seitens der USA und der EU gänzlich eingestellt werden sollen, ist weiterhin Gegenstand von Beratungen. Dieses Exportembargo wäre eine nochmalige erhebliche Verschärfung der bereits umgesetzten und ausserordentlich harten Sanktionen.

Für die Eurozone müssen die Wachstumsprognosen um etwa 0.5% bis 1% nach unten revidiert werden, eine Rezession zeichnet sich aber bislang noch nicht ab.
Die Inflation wird dieses Jahr mit über 4% auf einem deutlich höheren Niveau verharrten als bislang erwartet.

Die Auswirkungen auf die USA dürfte beim Wachstum geringer bleiben. Die Inflation wird aber mit über 7% für einige Zeit wohl sehr hoch bleiben. Für die anstehenden US-Kongresswahlen spielen die hohen Energiepriese eine wichtige Rolle. Dies setzt Joe Biden unter Druck die Auseinandersetzung mit Putin erfolgreich zu bestreiten, damit er den ökonomischen, Preis den die Amerikaner dabei bezahlen rechtfertigen kann.

Auch auf die Schweizer Wirtschaft wird sich der Krieg gegen die Ukraine zumindest indirekt auswirken. Die verhängten Sanktionen dürften u. a. den Tourismus und den Rohstoffhandel beeinträchtigen. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern in Europa besteht aber ein deutlicher Unterschied in der Energieversorgung. Fossile Brennstoffe spielen bei der Schweizer Elektrizitätserzeugung kaum eine Rolle. Die Inflation dürft länger etwas höher bleiben als bislang angenommen. Für 2023 liegt die Konsensprognose aber nach wie vor bei 0.6%.

Die Situation an den Finanzmärkten dürfte weiter volatil bleiben und weitere Verluste sind möglich. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass harte Importverzichte für russische Energielieferungen beschlossen würden. Die aktuellen Diskussionen darüber haben dazu geführt, dass heute Morgen der Ölpreis für die Sorte Brent kurzfristig auf fast 140 US-Dollar je Barrel gestiegen ist. Aktuell wird er wieder 130 US-Dollar gehandelt.

Dennoch zeichnet sich ab, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen kann und die Bereitschaft zu Verhandlungen steigen wird. Wie gross die menschlichen Opfer in der Ukraine sein werden und wie viele Millionen Menschen werden fliehen müssen, scheint auch heute weiterhin alleine in der Hand Putins zu liegen.

Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie

Die neue Woche beginnt an den Finanzmärkten mit Verlusten. SMI und Euro Stoxx 50 verlieren rund 3%. ie US-Aktienmärkte dürften am Nachmittag 1.5% tiefer eröffnen. Der Euro-Franken-Kurs wird nahe der Parität gehandelt. (Stand ca. 10:30, 07.03.2022, Basel Zeit)

© Bank Cler / Diese Angaben dienen ausschliesslich Werbezwecken und stellen eine freiwillige Dienstleistung der Bank Cler dar, auf welche kein Rechtsanspruch besteht. Die Bank Cler kann die Publikation jederzeit ohne Vorankündigung einstellen. Die publizierten Informationen dienen nicht der Anlageberatung und stellen in keiner Weise ein Kaufangebot, eine Anlageempfehlung oder eine Entscheidungshilfe in rechtlichen, steuerlichen, wirtschaftlichen oder anderen Belangen dar. Sie dienen einzig informativen Zwecken. Die in dieser Information verarbeiteten Aussagen, Stammdaten, Kennzahlen und Marktkurse bezieht die Bank Cler aus öffentlich zugänglichen Quellen, die sie für zuverlässig hält. Eine Garantie für Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, deren Auswertung oder deren Wiedergabe kann die Bank Cler nicht übernehmen und keine Aussage ist als Garantie zu verstehen. Es wird keine Haftung für Verluste oder entgangene Gewinne übernommen, die aus der Nutzung oben stehender Informationen entstehen könnten. Zum Ausdruck gebrachte Meinungen können sich ohne vorherige Ankündigung ändern. Die in dieser Publikation enthaltenen Anlageinformationen könnten – je nach speziellen Anlagezielen, Zeithorizonten oder bezüglich des Gesamtkontextes der Finanzposition – für bestimmte Investorinnen und Investoren ungeeignet sein. Wir empfehlen, dass diese, bevor sie Anlageentscheidungen treffen, sich den Rat der Anlageberaterin bzw. des Anlageberaters ihrer Bank einholen. Diese Informationen richten sich ausschliesslich an natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften und Körperschaften mit Wohnsitz bzw. Sitz in der Schweiz.