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Marktausblick

Europa finanziert die eigenständige Verteidigung

CIO Kommentar, Montag, 10. März 2025

Dr. Sandro Merino, Chief Investment Officer

Die EU und das Vereinigte Königreich in Zugzwang

Die in rasantem Tempo stattfindende epochale Verschlechterung der Beziehungen zwischen Europa und den USA führt zu weitreichenden Entscheiden zur künftigen Ausgestaltung der europäischen Sicherheitspolitik. Die EU und das Vereinigte Königreich sind durch die Kehrtwende Donald Trumps in Zugzwang geraten. Europa wacht auf und nimmt den Aufbau seiner eigenständigen Verteidigungsfähigkeit als Aufgabe an. Ob die US-Regierung im Lichte dieser Entwicklungen die Rückendeckung für die NATO bekräftigen wird, ist möglich, dies wird die EU und die Briten aber nun kaum davon abhalten, den neu eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Erste Pläne zur Verteidigungspolitik und Vergleich der Staatsverschuldung

Die künftige Rolle der NATO ist offen, es kann aber nur in Europas Interesse sein, möglichst viel von der NATO zu retten. Die in der Übergangsphase entstehenden sicherheitspolitischen Risiken für Europa sind existenziell. Auch der wirtschaftliche Kraftakt zur Erreichung europäischer Verteidigungsfähigkeit ist herausfordernd. Die skizzierten Pläne zur Investition hunderter Milliarden Euro in eine gesamteuropäische Verteidigungspolitik bedingen eine Finanzierung mittels Emission nationaler Staatsanleihen – perspektivisch auch mit gemeinschaftlichen Anleihen. Dies wird die bisher in nationalen Schuldenbremsen verankerten Verschuldungsgrenzen überschreiten. Immerhin steht Europa mit deutlich tieferen Schulden als die USA da. Setzt man die aktuelle Höhe der Staatsverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung (BIP), dann liegt die EU als Ganzes bei etwa 82%, die USA bei etwa 100%. Noch bedeutender ist, dass die EU in fast allen Mitgliedstaaten seit der Pandemie keine Neuverschuldung erzeugte. Hingegen wächst der US-Staatsschuldenberg mit 5% bis 7% pro Jahr unfassbar schnell und nicht nachhaltig an. Die Zinsbelastung des US-Haushalts für das Fiskaljahr 2024 hat die Höhe des Verteidigungsetats erstmals überschritten. Unter dem Strich hat Europa (EU-27 und UK) mit einer Wirtschaftsleistung (BIP) von über 21 Billionen USD etwa zwei Drittel der Grösse der US-Wirtschaft und damit einen enormen Spielraum. Dabei ist auch bedeutend, dass die Wirtschaftsleistung Russlands kleiner ist als jene von Italien (ca. 2.2 Billionen USD in 2023).

Gewinn beim DAX-Index – Verlust bei Anleihen

Die Finanzmärkte haben auf die Pläne Europas heftig reagiert. Die europäischen Aktienindizes sind dank Kurssprüngen bei Industrie- und Rüstungswerten stark angestiegen. Der DAX gewinnt seit Jahresanfang rund 16% und auch der Schweizer SMI steigt um beachtliche 12%.

Die Verfallsrendite für deutsche Staatsanleihen ist aufgrund der erwarteten Erhöhung der Verschuldung um rund 0,4% gestiegen und liegt nun bei 2,83%. Der Risikoaufschlag könnte übertrieben sein: Die Leitzinsen für den EUR sinken weiter und die Inflationsentwicklung zeigt nach unten. Dies gilt übrigens auch für die Schweiz, wo die SNB am 20. März den Leitzins aufgrund der sehr tiefen Inflation von nur noch 0,3% von 0,5% auf 0,25% senken dürfte. Das moderate Ausmass der deutschen Staatverschuldung von rund 60% des BIP wird sich erst über die kommenden Jahre graduell verschlechtern.

Erzeugen die Investitionen in die Verteidigung und die Infrastruktur mehr Wachstum, könnte die Staatsverschuldung Deutschlands am Ende nur moderat ansteigen. Eine Zusatzausgabe von 100 Milliarden bedeutet eine Erhöhung der Verschuldungsquote um etwa 2,5%. Erste Schätzungen sehen einen Anstieg der deutschen Staatsverschuldung auf 70% bis 75%. Eine positive Rück-koppelung der umfangreichen Investitionen auf die europäische Wirtschaftsdynamik ist durchaus plausibel. Auch wenn dies nachdenklich stimmen mag, so sind Innovationen in der Verteidigung oft Motor für die Innovationskraft einer Volkswirtschaft insgesamt. Die USA sind ein Paradebeispiel für diese Wechselwirkungen.

Führt Trumps Schlingerkurs in die US-Rezession?

Die Einführung und Vertagung von Zöllen, je nach Trumps Tagesform, erzeugt bei US-Unternehmen und US-Konsumenten viel Unsicherheit. Die aktuellsten Indikatoren zur US-Konjunktur (Fed Beige Book, Atlanta Fed Nowcasting) spiegeln bereits die steigende Verunsicherung von Konsumenten und Unternehmen.

Die US-Wachstumszahlen für das erste Quartal unter Trumps Präsidentschaft könnten enttäuschen. Die aktuelle Konsensus US-Wachstumsprognose von 2,2% ist damit eine der wichtigsten aber auch unsichersten Erwartungen für 2025. Die US-Notenbank Fed dürfte aufgrund hartnäckiger Inflation von 3% und im Lichte des Risikos eines zollbedingten Anstiegs am 19. März die USD-Leitzinsen unverändert bei 4,5% belassen. In diesem Zusammenhang werden die US-Inflationszahlen für Februar am Mittwoch 12. März mit Spannung erwartet.

Positionierung unserer Anlagestrategie

Anlegern raten wir eine sehr breit diversifizierte strategische Positionierung geduldig beizubehalten. Die Überrendite in 2025 europäischer Aktien gegenüber US-Aktien von rund 18% (!) belegt einmal mehr, dass man regional nicht dem jüngsten Gewinner ex-post nacheilen sollte. Erfolgsversprechender ist es, dass man ex-ante regional diversifiziert aufgestellt ist.
Wir halten aufgrund des unsicheren Ausblicks gegenwärtig eine taktisch neutrale Gewichtung der Anlageklassen.

Heutige Marktentwicklung

Die Unsicherheiten zur Wachstumsperspektive für die US-Wirtschaft belasten am heutigen Montag die Aktienmärkte. Auch der USD-CHF-Wechselkurs hat mit 87.71 Rappen/USD seinen Höhenflug nach Trumps Wahlsieg wieder Rückgängig gemacht.
Die Börsen in Europa sind schwächer in die neue Woche gestartet. Der Schweizer Aktienindex (SMI) gibt rund 0,3% nach, der deutsche Aktienindex (DAX) verliert rund 0,5%. Für die US-Aktienmärkte signalisieren die Futures-Börsen Verluste von nahezu 1% (Stand ca. 11.00 Uhr, 10. März 2025, Basel Zeit).

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