CIO Kommentar, Donnerstag, 23. April 2020
Unter der Leitung des EU-Ratspräsidenten Charles Michel, werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU heute zu den Vorschlägen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über einen Fahrplan für die wirtschaftliche Erholung Europas beraten. Es wird nicht mit einer Einigung auf konkrete Massnahmen gerechnet, aber im Raum steht eine Abkehr von der Idee der Corona Bonds zugunsten einer Ausweitung des EU-Budgets für ein. Die heutigen sehr schlechten Aktivitätsindikatoren (Einkaufsmanager-Indices für Industrie und Dienstleistungen) für Europa sind keine Überraschung. Ausser vielleicht, dass sie nochmals schlechter sind, als ohnehin befürchtet. Auch der Verlust der Schweizer Nationalbank von 38 Milliarden CHF im ersten Quartal überrascht niemanden und war aufgrund der Transparenz über die Zusammensetzung der Aktiva auf der SNB-Bilanz leicht zu schätzen.
Ein Rückgang der Wirtschaftsleistung in der EU für 2020 um bis zu 10% wird sich allmählich im Laufe der nächsten Monate in den Wirtschaftsindikatoren niederschlagen. Eigentlich weiss man ja schon, dass alle Messungen der Wirtschaftsaktivität nach dem Lockdown nur sehr schlecht aussehen können. Die Frage ist höchstens noch wie schlimm genau die Zahlen aussehen. Ein Verlust von 10% der EU-Wirtschaftsleistung in 2020 entspricht rund 2 Billionen Euro. Das ist auch die Grössenordnung des Umfangs eines Marshallplanes für Europa, der in Finanznachrichten genannt wird. Allerdings auf 7 Jahre zeitlich aufgeteilt und auf 27 Länder verteilt, sorgt auch diese Zahl in den besonders hart getroffenen Ländern wie Italien oder Spanien nicht gerade für Jubelgesänge. Deswegen wird am heutigen (Video-) Treffen der 27 EU-Staatschefs mit weiterhin sehr kontroversen Haltungen zu Corona-Bonds oder alternativen gemeinschaftlichen Finanzierungsformen gerechnet.
Der Fall Griechenlands ist dabei ein Beispiel, das aufzeigt, dass der aufgezwungene strikte Sparkurs, als Voraussetzung für Hilfen, das Land nicht auf einen Weg der Erholung gebracht hat. Griechenland hatte zwar vor Ausbruch der Coronakrise erste wirtschaftliche Lichtblicke erfahren. Dies fast 10 Jahre nach den Hilfs-Finanzierungen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und nach drastischen Kürzungen bei Renten und in allen Bereichen des Sozialsystems. Endlich schien es bergauf zu gehen. Doch die Coronakrise stürzt jetzt auch Griechenland erneut in eine tiefe Rezession. Heute hat die griechische Wirtschaft real nur noch etwa 40% ihrer Grösse von 2007. Da ist es rückblickend nicht ganz verkehrt, zumindest aus griechischer Sicht, den Austritt aus der Eurozone, begleitet durch einen griechischen Staatskonkurs und neuer Währung, als die langfristig bessere Option zu bewerten. Allerdings waren, aus damaliger Sicht, die noch drastischeren kurzfristigen Folgen eines Staatskonkurses auf die griechische Bevölkerung, kaum zu verantworten gewesen.
Gerade in Italien oder Spanien wird das Beispiel Griechenlands nicht als erfolgreiche Rettung gesehen, sondern als abschreckendes Beispiel dafür, wie es gerade nicht gemacht werden soll. Ein wesentliches Problem ist dabei, dass ein geordneter Austritt aus dem Euro in einem demokratisch regierten Land kaum durchführbar ist. Werden Parteien politisch einflussreich, die für einen Exit sind, setzt Kapitalflucht ein und die Situation wird rasch wirtschaftlich und sozial äusserst instabil. Man müsste also über Nacht agieren, alle Konten einfrieren können und diktatorisch vorgehen, was glücklicherweise innerhalb der Eurozone nicht vorstellbar ist. In Italien setzt die Opposition gegenwärtig auf diese Austrittsfantasien. Aber das Dilemma, dass der blosse ernsthafte Gedanke an den Austritt, die Lage schon eskalieren lässt, scheint kaum überwindbar. Dies macht die aktuelle Entwicklung aber nicht weniger bedrohlich. Es bleibt also zu hoffen, dass wenn kein grosser Wurf gelingt, der EU-Rat heute einen Fahrplan zu Kompromisse findet. Denn schon bald könnte das Kreditrating von Italien durch Standard & Poors um eine Stufe reduziert werden. Dann wäre die Kreditqualität auf der tiefsten Investment Grade Stufe. Eine weitere Abstufung und schon müssen viele Pensionskassen Italienische Staats-Anleihen abstossen, weil sie eine ungenügende Kreditwürdigkeit haben. Am Ende dürfte die EZB dann trotzdem italienische Anleihen weiterkaufen.
Dabei müsste aber auch über den sogenannten Kapitalschlüssel gesprochen werden. Die EZB kauft Staatsanleihen proportional zur Wirtschaftsleistung jedes EU Mitliedes. D.h. am meisten Anleihen aus Deutschland (ca. 1/4) gefolgt von Frankreich (ca. 1/5) dann Italien (ca. 1/6) und Spanien (1/8). Das ist die Aufteilung für die grössten 4 Volkswirtschaften in der Eurozone. Dass hier die Frage aufkommt, weshalb von Deutschland am meisten Anleihen gekauft werden, was dazu beiträgt, dass Deutschland auch noch auf seiner Staatsverschuldung Negativzinsen erhält, ist offensichtlich. Die EZB dürfte versuchen ohne viel Diskussion in der Öffentlichkeit aus diesem Kapitalschlüssel herauszukommen, um dafür bereit zu sein, eine Italienische Staatsschuldenkrise durch weitere Käufe italienscher Anleihen zu vermeiden.Aufgrund dieser Entwicklungen in Europa und aufgrund des zunehmend chaotisch wirkenden Krisenmanagements des Weissen Hauses, verzichten wir derzeit auf einen weiteren Aufbau von Aktienpositionen, halten aber an unserer neutralen strategischen Gewichtung derzeit noch fest.
Am heutigen Donnerstag eröffnen die weltweiten Aktienmärkte richtungslos und wenig verändert. Die europäischen Aktienmärkte sind praktisch unverändert. Der Schweizer SMI-Index ist aktuell etwa -0.5% im Minus. Für die US-Aktienmärkte wird heute ebenfalls wenig Bewegung erwartet. US-Aktien verlieren seit Jahresanfang je nach Index (Dow Jones / Standard % Poors 500) aktuell etwa 15% bis 19%, europäische Aktien etwa 25%, Schweizer Aktien etwa 10% und chinesische Aktien (CSI 300 Index) etwa 6.5% (alle Zahlen per 23.4.2020 ca. 12:30, Basel Zeit, Markbewegungen seit Jahresanfang in CHF bewertet).
Wir wiederholen an dieser Stelle erneut, dass Angst ist in diesem Umfeld kein guter Ratgeber ist. Wir raten an Aktienpositionen festzuhalten. Möchten Sie regelmässig über die aktuelle Börsenlage informiert werden? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Investment Letter.